Die Kamelreiterin

Draußen tobte ein zyklopischer Sandsturm. Ohne Vorwarnung hatte er sich in barbarisch, widernatürlichem Zorn über die endlose Weite der arabischen Wüste hergemacht. Inmitten dieser zerstörerischen Naturgewalt, bahnte sich hoch oben am Firmament dröhnend ein kleines Flugzeug seinen gefährlichen Weg durch die Dunkelheit der Nacht. Wie eine Nussschale auf offener See wurde es hin- und hergepeitscht. Meter um Meter fraßen sich zwei lange, trichterförmige Lichter, die aus seinen Scheinwerfern wie aus einem feuerspeienden Ungeheuer heraus stachen, ihren Weg durch die gelblich gärende, von Sandkörnern prall gefüllte Luft. Die Motoren der beiden Propeller heulten in kurzen Sequenz furienhaft auf und ab. Kurz darauf schien eines der Triebwerke in seinen letzten Zuckungen zu liegen. Es tuckerte nur noch wie ein alter Traktor.

In der viersitzigen Maschine saßen zwei Menschen, die noch nicht bereit waren, zu sterben. Schon gar nicht an diesem gottverlassenen Ort. »Ohhh. Neiiin! Wir stürzen ab!«, schrie Sonja durch den ohrenbetäubenden Motorenlärm, der im Innern der kleinen Mühle ohne Unterlass rumorte. Ihre Schreie versuchten sich wie durch eine dicke Nebelwand durch das Getöse hindurchzukämpfen. Nicht einmal sie selbst konnte sie deutlich hören. Sonjas Körper wurde unaufhörlich, wie auf einem bockigen Gaul, hin- und hergeschüttelt. Mit äußerster Kraft versuchte sie sich an allem festzuhalten, was ihr irgendwie Halt bot, während der Pilot beharrlich »Mayday. Mayday. Hassan Tower. Alpha. Six. Mike. Yankee. Alpha. Papa. Engine problem. Mayday. Mayday«, in ein Funkgerät brüllte. Auf seiner Stirn hatten sich kalte Schweißperlen gebildet. Sie bahnten sich einen Weg bis hinunter zum Kinn und fielen dort als dicke Tropfen herab. Sekunden später kippte die kleine, weiße Cessna, die von seinem Besitzer liebevoll Nightlove genannt wurde, vorne über und steuerte in rasantem Tempo Richtung Erde. Dann setzte der linke Propeller aus. »Mayday. Mayday. Hassan Tower. Alpha. Six. Mike. Yankee. Alpha. Papa. Engine problem. Mayday. Mayday«,grölte der Pilot in den Funk. Im nächsten Moment überschlug sich seine Stimme. »Mayday. Mayday. Engine problem. Mayday. Mayday … « Das Steuerhorn begann mürrisch zu zittern. Von Panik getrieben, ließ der Pilot das Funkgerät los. Es fiel auf den Boden unter seinen Sitz und gab nur noch ein erbärmliches Rauschen von sich. Mit brutaler Kraft umklammerte er beidhändig das ruppig zuckende Steuerhorn. Die Knochen seiner Finger traten weiß hervor. Verzweifelt versucht er die außer Kontrolle geratene Cessna zu zähmen. »Verdammtes Ding«, stieß er wütend und zugleich gequält hervor. Das kleine Flugzeug ließ sich nicht mehr besänftigen und sank immer schneller. Sonjas Gesicht verzog sich augenblicklich zu einer Schreckensmaske. In ihrem Magen ergoss sich ein übles Gefühl, so als müsse sie gleich den schäbigen Inhalt in hohem Bogen hinausspucken.

Bleischwer raste die Cessna in gefährlichem Tempo Richtung Erde. »Neiiin!«,schrie Sonja entmenscht in das Getöse. »Ich will nicht sterben!« Gejagt stieß sie ihre Schreie zum Himmel. »Lieber Gott. Bitte. Ich will nicht steeerbeeen! Neiiin!« … …  …